Donnerstag, 22. November 2012

Remote Control Systems: RCS Granit/Granit S

RCS Granit S ©Steve Blincoe
Die Geschichte der Firma RCS (Remote Control Systems) ist untrennbar verbunden mit dem Namen Peter Reckwitz. Bis Mitte der 80er als Geschäftsführer von Fidelity Deutschland tätig - siehe auch der Artikel zum Playmatic - spezialisierte er sich mit RCS auf ein Tuning von Schachcomputern. Meist handelte es sich dabei um den Fidelity Elite oder Prestige, doch ab Anfang 1986 gab es den ersten in Eigenregie vermarkteten Schachcomputer: Den RCS Granit für 749 DM.


Granit-Prototyp aus
Schachcomputer Edition 21

Als Gehäuse wurden Restexemplare des Playmatic S verwendet und mit einem 6,5 MHz Excellence-Programm bestückt. Erste Prototypen liefen mit 5,5 Mhz in einem ultraflachen Kunststoffbrett, ähnlich dem Elite Privat. Der holländische Supertester Jan Louwman prüfte den Granit auch direkt auf Herz und Nieren - siehe Tabelle 1 unten.

Die einzige komplette Partie, die mir vom Granit vorliegt, stammt aus dem 1. AEGON-Turnier 1986, 3. Runde gegen einen ELO 2000-Spieler.

Stellung vor 19.Lxh7+
A. Münninghoff - RCS Granit
1.c4 Sf6 2.Sc3 e6 3.e4 d5 4.e5 d4 5.exf6 dxc3 6.bxc3 Dxf6 7.d4 c5 8.Sf3 cxd4 9.Lg5 Df5 10.Ld3 Da5 11.0–0 Sc6 12.cxd4 Sxd4 13.Lf4 Lc5 14.Le5 Sxf3+ 15.Dxf3 0–0 16.Tab1? Lxf2+ 17.Txf2 Dxe5 18.Tb5 Dc7 19.Lxh7+! Kxh7 20.Th5+ Kg8 21.Dh3 f5 22.Th8+? [22.Th7 Kf7 23.Dh5+ Kf6 24.Dh4+ Dauerschach] 22...Kf7 23.Dh5+ Ke7 24.Dg5+ Ke8 25.Th7 Tg8 26.Td2 Db6+? 27.Kf1 Kf7 28.Dh5+ Kf6 29.Dh4+ g5 30.Th6+ Tg6 31.Dh5 Db1+ 32.Kf2 f4 33.Th8 Db6+ 34.Kf1 Dc5 35.Thd8 Dxc4+ 36.Kf2 Dc5+ 37.Kf1 Db5+ 38.Kf2 Db6+ 39.Kf1 Dc5 40.Dh8+ Kf5? [40...Tg7 41.Tg8 Dc4+ mit Dauerschach] 41.Dh3+? [41.Tf8+ Dxf8 42.Dxf8+ Tf6 43.Dc5++-] 41...g4? RCS Granit will kein Remis 42.Dh5+ Tg5 43.Df7+ Ke4 44.Te2+ De3 45.Txe3+ 1:0


56...Kg6? verliert
Bereits im Sommer 86 kam der Nachfolger - kurz RCS Granit S benannt, versehen mit dem stärkeren Par Excellence-Programm und in ein Sensory 12 B Gehäuse verpackt; wiederum mit 8 MHz. Auch hier lieferte Jan Louwman schnell Ergebnisse - siehe Tabelle 2 unten. Das Turnierdebüt im Porz Open 1986 war denkbar schlecht für den RCS Granit S; nur 2,5 Punkte aus 7 Spielen. In der Partie gegen Reuter wirft der RCS Granit S ein Remis im Endspiel weg. Statt 56...Kf6 oder Kh6 spielt er Kg6?, damit ist die Opposition dahin.

Dies offenbarte auch gleich das Dilemma: Die getunte Kiste konnte zwar gegen die stärksten Schachcomputer mithalten, mehr aber auch nicht. Zudem bot die Konkurrenz in punkto Ausstattung wesentlich mehr Komfort und vor allem ein Display. So verschwand der Granit (S) schnell in der Versenkung und es dürften nur sehr wenige Geräte im Umlauf sein.


aus CSS 5/1986
Ende 1986 unternahm Reckwitz nochmals einen Versuch seine Fa. RCS als "Tuning-Spezialist" zu positionieren, in Zusammenarbeit mit der Fa. HCC. Dies zur Verwunderung vieler aus der Szene, da seit dem Disput während der WMCCC 1983 Budapest das gespannte Verhältnis zwischen P. Reckwitz und O. Weiner bekannt war. Ein detaillierter Artikel hierzu findet sich in der CSS 1/1984.

Neben Tunings für Fidelity Schachcomputer, findet man in der nebenstehenden Anzeige aus CSS 5/1986 auch Angebote für schnellere Mephistos.

Danach wurde es ruhig um die Mülheimer Hardware-Schmiede. Mit einer traurigen Meldung in CSS 4/1989 endete das Kapitel: Peter Reckwitz ist am 15. Juni 1989 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt.



Tabelle 1: RCS Granit




 






Donnerstag, 8. November 2012

Der futuristische Mark V

"Einer wie keiner", das fällt mir spontan zum SciSys Mark V ein. Erschienen 1981 war bereits sein äußeres Erscheinungsbild aus dem Rahmen fallend. Mit seinen klaren, strengen Formen wirkte er ganz reduziert und minimalistisch, im Gegensatz zu vielen anderen Schachcomputern, die eher mit Opulenz und Größe punkten wollten. Das eingebaute, hintergrundbeleuchtete LCD-Schachbrett des Mark V war zu dem Zeitpunkt einmalig. Alle Züge werden auf diesem per Cursor oder über Koordinaten eingegeben und zusätzlich auf einer Kommentarzeile unterhalb angezeigt.

Doch nicht nur das, der Mark V bietet eine Vielzahl von Informationen und Features.
  • Stellungsbewertung mit Hauptvariante (2 Züge)
  • Anzeige von Matt in ...
  • Remis in allen Varianten (Stellungswiederholung, 50 Züge-Regel, Patt)
  • Selbstständiges Remisangebot und Partieaufgabe
  • Partiewiederholung
  • Schachuhr
  • Kommentare wie "einziger Zug" oder "erzwungen"
  • Simultanspiel bis zu 12 Partien
  • Problemstufe mit Überprüfung von Nebenlösungen
Gerade die Möglichkeit Schachprobleme nach Nebenlösungen zu überprüfen, machte den Mark V bei Problemkomponisten sehr populär - über Jahre hinweg. Das Simultanspiel hingegen krankt daran, dass nicht alle Partien gleichzeitig vom Computer berechnet werden, sondern immer nur die im Display aufgerufene Stellung. Später wurde diese Funktion auch im Saitek Simultano implementiert.

Richtig bekannt geworden ist der Mark V natürlich durch seinen Sieg in der kommerziellen Gruppe der WMCCC 1981 in Travemünde. Einen sehr schönen Bericht zu den Hintergründen dieser WM gibt es bei Hein Veldhuis in der Rubrik History/Geschichte.

Zum Spielstil: Bedingt durch eine sehr selektive Suche, ist der Mark V taktisch sehr anfällig. Das macht sich besonders bei kurzen Bedenkzeiten bemerkbar. Während viele andere selektive Schachprogramme einen eher ruhigen, positionellen Spielstil pflegen, habe ich mit dem Mark V gegenteilige Erfahrungen gemacht. Er liebt geradezu Verwicklungen und komplizierte Stellungen - die er leider häufig in den Sand setzt. Auch die Eröffnungsbibliothek ist sehr ungewöhnlich. So spielt er gegen Sizilianisch auschließlich Nebenvarianten wie 2. b3 oder Sc3. Mitunter wird auch mal ein Budapester Gambit eingestreut, während er eine bekannte Eröffnung wie Italienisch gar nicht kennt.

Hier sind Partien aus dem U1600-Turnier auf schachcomputer.info:

Partie 1: SciSys Superstar 28K-SciSys Mark V 0:1 Eine echte Überraschung!
Partie 2: SciSys Mark V-Novag Mentor 0:1
Partie 3: Mephisto MM I-SciSys Mark V 1:0
Partie 4: SciSys Mark V-Fidelity Elite Travemünde 0:1
Partie 5: Saitek Team Mate-SciSys Mark V 1:0
Partie 6: SciSys Mark V-Fidelity Sensory 9 0:1
Partie 7: Morphy Master Chess 4MHz-SciSys Mark V 1:0
Partie 8: SciSys Mark V-Sargon ARB 3.0 0:1
Partie 9: Mephisto Mirage-SciSys Mark V 1/2
Partie 10: Scisys Mark V-Mephisto III 0:1

Damit am Ende der erwartete letzte Platz. In vielen Partien war es lange Zeit spannend (z.B. gegen den Elite Travemünde), doch grobe Schnitzer verhinderten eine bessere Punktausbeute. Das Nachfolgemodul Mark VI/Philidor, auf das man geschlagene zwei Jahre warten musste, war nur unwesentlich verbessert worden und lief auf der gleichen - damals schon betagten - Hardware. Das Bedienkonzept wurde von SciSys zugunsten von Schachcomputern mit Sensorbrett verworfen.

Freitag, 2. November 2012

Vom Mephisto Roma zum Glasgow

"Wieviel Eproms hätten's denn gern?", wäre wohl die Einstiegsfrage, wenn man sich auf den Weg vom Roma zum Glasgow machen möchte. Die Antwort kann nur lauten: VIER!

Der Hintergrund ist einfach: Beim Erscheinen des ersten 16-Bit-Moduls von Mephisto, dem Mephisto III-S Glasgow, wurde die Platinenarchitektur noch mit 4 Eproms versehen. Erst ab dem Mephisto Amsterdam hat H&G umgestellt auf eine neue Platine mit lediglich 2 Eproms. Äußerlich sind diese Versionen ebenfalls gut zu unterscheiden.


4-Eprom Roma/Glasgow
a) Das Tastaturmodul - Bei der älteren 4-Eprom Version sind zwei Tasten unbelegt und eingeschwärzt. Die 2-Eprom-Version hat das später typische Design mit den beiden RES-Tasten.

2-Eprom Amsterdam
b) Das Programmmodul - Auf der 2-Eprom Version befindet sich noch eine weitere Netzbuchse. Da Mephisto den Amsterdam (wie alle späteren Module) auch ohne Spielbrett angeboten hatte, wollte man so mögliche Spannungsprobleme in den verschiedenen Brettern umgehen.

Ansonsten ist die Hardware identisch. Man konnte damals - anno 1985/86 - seinen Glasgow einsenden und diesen auf das stärkere WM Programm Amsterdam "upgraden", was auch viele Kunden umgesetzt haben. Dadurch ist das Original Glasgow-Modul heute zu einem seltenen Sammlerstück geworden.

Seit einiger Zeit habe ich einen Mephisto Roma 16-Bit in meiner Sammlung. Eigentlich nichts besonderes, denn den Roma 68000 gibt es immer noch zuhauf. Doch wenn man sich das Foto betrachtet fällt sofort auf: Es handelt sich um eine 4-Eprom-Version. In dieser Form sicher selten. Was lag näher, als dieses Stück wieder mit seinem Urspungsprogramm zu bestücken. Back to the roots! Dank der Hilfe eines Freundes hat alles vorzüglich geklappt. Der Roma erkennt den "falschen" Glasgow. Lediglich für die WM-Plakette muss ich mir noch etwas überlegen.

Und erste Erfolge zeigen sich bereits. Hier ein Duell der Großkopferten von 1984: